
Man hat vor einigen Jahren festgestellt, dass der Schulstoff der Grundschule auf eine CD passt und in einem Jahr gelernt werden kann. Stell dir das mal vor. Schüler könnten nach der 1. Klasse direkt auf die weiterführende Schule wechseln. Mit sieben Jahren in der 5. Klasse. Aber dem ist nicht so. Die Grundschule dauert in Deutschland normalerweise drei bis sechs Jahre. Schuld daran sind die vielen Wiederholungen, die man als Schüler machen muss. Ständig wird wiederholt, was man gelernt hat. Buchstaben schreibt man immer wieder, Rechenaufgaben löst man mehr als bloß ein Mal und auch im Sachunterricht werden die Dinge häufiger erklärt und wiederholt.
Es ist nämlich nicht so, dass man tatsächlich in nur einem Jahr den Stoff der Grundschule lernen kann. Da gibt es sicher ein paar Überflieger, denen das gelingt, aber der Durchschnittsgrundschüler schafft das nicht. Er braucht mehr Zeit. Und das liegt keinesfalls daran, dass er dumm oder langsam wäre. Nein, sein Körper benötigt für viele verschiedene Entwicklungsschritte einfach ein bisschen Zeit.
In der 1. Klasse ist zum Beispiel das Hör- und Sehvermögen eines Schülers noch lange nicht vollständig ausgebildet. Räumliches Sehen zum Beispiel gelingt dann noch nicht so gut. Darum ist es für so junge Kinder auch noch gar nicht eindeutig erkennbar, ob sich ein Auto schnell oder langsam nähert. Auch der Gleichgewichtssinn funktioniert noch nicht perfekt, denn der Kopf des Kindes ist im Verhältnis zum Körper noch etwas zu groß. Nicht mehr viel, aber eben doch zu groß, um problemlos in jeder Situation das Gleichgewicht zu halten.
Wiederholungen dienen der Entwicklung des Gehirns
Bei den Wiederholungen, die Grundschüler – und natürlich auch ältere Schüler – über sich ergehen lassen müssen, geht es folglich längst nicht nur um das Wissen, sondern eben auch um die Entwicklung. Besonders das Gehirn benötigt diese Wiederholungen. Mit jeder neuen Information, die es aufnimmt, versucht es, Nervenzellen zu verbinden. Über diese Verbindung werden Informationen geleitet und das Wissen kann abgerufen werden. Allerdings gelingt das nur dann wirklich gut, wenn diese Verbindungen stark sind.
Das ist wie mit einem Trampelpfad im Wald. Anfangs gibt es ihn noch nicht. Wenn du ihn zum ersten Mal läufst, musst dir deinen Weg suchen. Das ist mühsam. Auf dem Rückweg geht es schon ein bisschen besser, denn an einigen Stellen hast du Gras plattgetreten und Zweige abgeknickt. Beim nächsten Mal geht es wieder ein wenig besser. Je häufiger du den Trampelpfad läufst, desto schneller wird aus ihm ein gut sichtbarer und begehbarer Weg. Im Gehirn ist das auch so. Je häufiger etwas wiederholt wird, desto häufiger werden die Verbindungen zwischen den Nervenzellen benutzt. Sie festigen sich und das Gehirn entwickelt sich weiter. Es ist dadurch in der Lage, noch mehr Informationen aufzunehmen und sie mit anderen Infos zu verknüpfen. Je mehr dieser Verknüpfungen es gibt, desto besser und schneller gelingt das Lernen. Aber dafür ist es eben notwendig, dass die Grundschule nicht in einem Jahr absolviert wird. Denn diese Wiederholungen kosten Zeit. Und mit sieben Jahren schon auf der weiterführenden Schule zu sein, will doch auch keiner, oder?
*Damit man diesen Artikel besser lesen kann, nenne ich nicht immer alle Gender. Sofern ich nicht deutlich auf das Geschlecht hinweise, sind immer alle Personen einer Gruppe genannt. Egal, ob männlich, weiblich oder divers.